Jedermannsrecht. Wenn Du Informationen über Norwegens suchst, wirst Du vielleicht schon einmal auf diesen Begriff gestoßen sein. Doch was genau ist das eigentlich und wo gilt es überhaupt? Welche Rechten und Pflichten umfasst es genau? Der folgende Beitrag soll Dir einen Überblick über dieses skandinavische Gewohnheitsrecht verschaffen.
Das norwegische Jedermannsrecht
Norwegen hat das Jedermannsrecht bereits im Jahr 1957 gesetzlich geregelt. Das Allemannsretten erlaubt es Dir, Dich nahezu frei in der Natur bewegen zu dürfen. Die norwegische Umweltbehörde hat dazu in einer Informations-Broschüre die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
Das Jedermannsrecht gilt in der freien Natur. Hier darf man:
- sich zu Fuß und auf Skiern frei bewegen
- rasten und übernachten
- auf Pfaden und Wegen reiten und Rad fahren
- baden, paddeln, rudern und segeln
- Beeren, Pilze und Blumen pflücken
- Salzwasserfische kostenfrei angeln
In welchen Ländern existiert das Jedermannsrecht?
Das Jedermannsrecht ist ein vor allem in Skandinavien verbreitetes Gewohnheitsrecht, wobei es selbstredend niemals andere Gesetzgebungen aushebelt. Neben Norwegen (Allemannsretten) ist es auch in Schweden (Allemansrätten) und Finnland (Allemansrätten/Jokamiehenoikeus) Bestandteil der skandinavischen Lebensart. Obwohl sich die Gesetzestexte in Finnland, Schweden und Norwegen leicht unterscheiden, stimmen sie in den wesentlichen Punkten überein. Hingegen kennt Dänemark das Recht in der Form (leider) nicht.
Übrigens: Neben den skandinavischen Ländern haben auch Teile der Schweiz und Schottland ein (vergleichbares) Jedermannsrecht. Mehr dazu bei Wikipedia.
Welche Rechte und Pflichten habe ich durch das Jedermannsrecht?
Grundsätzlich gilt das Jedermannsrecht für jeden, egal ob Wanderer oder Camper, egal ob Einheimischer oder Tourist, egal ob Mensch oder Hund. Allerdings muss der vierbeinige Freund angeleint sein 😉
Das Jedermannsrecht erlaubt es Dir, Dich frei in der offenen Natur bewegen zu dürfen, teilweise sogar auf Privateigentum – zu Fuß, per Fahrrad oder auf Skiern. Es gilt für nahezu alle Wälder, Berge, Ufer- und Küstenbereiche und Moorland. Generell solltest Du dabei wann immer vorhanden oder ausgewiesen, auf vorhandenen Wegen bleiben und „keine Spuren hinterlassen“. Müll, Unrat und sonstige Hinterlassenschaften sind mitzunehmen und an entsprechend gekennzeichneten Sammel-/Entladestellen zu entsorgen. Das sagt einem eigentlich schon der gesunde Menschenverstand. Leider hält sich nicht jeder daran… Gerade deswegen sei in dem Zuge auch auf die Aktion „Nimm’s mit“ von den Jungs von Gipfelfieber verwiesen.
Ebenso steht es Dir frei, ein bis zwei Nächte am selben Ort zu verweilen und zu übernachten. Einzige Voraussetzung: Du störst die Anwohner nicht und hältst einen Mindestabstand von 150 Metern zu Wohnhäusern ein. Willst Du länger dort bleiben, muss der Grundbesitzer um Erlaubnis gefragt werden. Wildcampen ist ansonsten also in Norwegen vom Grundsatz her erlaubt.
Bei privatem Landeigentum sind daneben folgende Einschränkungen zu beachten: Eingezäunte Privatgelände, Gärten, bewirtschafteter Grund, Baugrundstücke etc. sind tabu. Überdies sind Schilder mit Aufschriften wie Privat oder Betreten verboten stets zu beachten. Hier gebietet es eigentlich schon die Höflichkeit und der Respekt, nicht für das „beste Foto“ die Privatsphäre der Einheimischen zu verletzen. Wenn Du bedenkst, dass Du bis auf die oben genannten Ausnahmen z. B. nahezu überall freien Zugang zu Meeresküsten und Fjorden hast, dort Baden, Segeln oder Paddeln darfst. Dagegen musst Du in Deutschland an so manchem Strand „Eintritt“ und/oder Kurtaxe zahlen. Da sind diese kleinen Einschränkungen doch verschmerzbar.
Wichtig: Freiheiten bedeuten wie immer im Leben auch eine eigene Verantwortung. Knickst Du zum Beispiel auf einem privaten Grund um und brichst Dir den Fuß, kannst Du den Grundstückeigentümer nicht etwa wegen mangelnder Pflegen oder Ähnlichem belangen.
Gilt das Jedermannsrecht auch für motorisierte Fahrzeuge, z. B. Wohnmobile?
Kurz und knapp: Nein. Das Jedermannsrecht gilt nicht für motorisierte Fahrzeuge. Das heißt, PKWs, Motorräder, Wohnmobile und Wohnwagen sind davon ausgenommen. Selbstverständlich dürfen öffentliche Straßen gewohnt genutzt werden. Sofern nicht anders ausgewiesen, ist das Übernachten in Wohnmobilen zudem auf öffentlichen Parkplätzen erlaubt. Einschränkungen gibt es, wie im vorigen Abschnitt erwähnt, auf Privatgrundstücken oder Privatwegen. Meist sind diese inzwischen von den Eigentümern mit Schildern wie No Parking, No Camping oder Privat gekennzeichnet. Leider meint so mancher Tourist, er könne dank dem Jedermannsrecht machen, was er wolle (wie beim Müll…)
Als weiterer Hinweis ist noch zu sagen, dass einige Privatwege durchaus genutzt werden dürfen – Gegen eine Gebühr. Nicht selten geben die Besitzer einen Vertrauensvorschuss und stellen nur eine kleine Blechdose an den Straßenrand. An den oft als Bokmveg oder Bomvei gekennzeichneten Wegen solltest Du dann auch so fair sein und den „kleinen Obolus“ in die Dose werfen. Schließlich lässt Dich der Besitzer seinen Weg nutzen, muss ihn aber zugleich auch instand halten.
Ansonsten ist zu anzumerken, dass dem Gesetz nicht sehr viel „Konkretes“ zu Fahrzeugen entnommen werden kann. Dies ist vermutlich auch dem Jahr seiner Entstehung (1957) geschuldet, als die Masse an motorisierten Fahrzeugen nicht ansatzweise eine vergleichbare Dimension wie heute angenommen hatte. Auch mag das ein Grund sein, warum mancher Norweger das Gesetz anders auslegt, als ein anderer. Inzwischen sind aber so viele PKWs, Wohnmobile und Motorräder unterwegs, sodass der norwegische Gesetzgeber vielleicht in naher Zukunft eine Überarbeitung durchführen muss. Bis dahin sollte man an die oben genannten Punkte halten.
Darf ich ein Feuer machen, z. B. beim Zelten?
Norwegen verbietet offenes Feuer in oder in der Nähe von bewaldeten Bereich in der Zeit vom 15. April bis zum 15. September. An ungefährdeten Ufer- und Küstenbereichen ist es nicht verboten. Grundsätzlich gilt hier natürlich immer: Keine Schäden verursachen und das Feuer im Auge behalten. Beim Verlassen der Feuerstelle musst Du dann sicherstellen, dass das Feuer vollständig gelöscht wurde und keine Glut mehr glimmt
Darf ich Waldbeeren, Moltebeeren und Pilze pflücken?
Im Wesentlichen erlaubt das Jedermannsrecht Dir auch verzehrbare Waldbeeren, Pilze und sogar die berühmten norwegische Moltebeeren zum Eigenverzehr zu pflücken. Bei den Moltebeeren gibt es allerdings eine Einschränkung in Nord-Norwegen, also den drei Region Nordland, Troms und Finnmark. Hier kann das Pflücken verboten sein (meist ist es ausgeschildert), weil sie die wirtschaftliche Basis der Einheimischen darstellen.
Darf ich überall Angeln?
Das Salzwasserfischen ist laut Jedermannsrecht erlaubt. Das heißt in den Fjorden und im Meer darfst Du ohne Genehmigung fischen (Bootsregeln beachten). Anders verhält es sich im Süßwasser, also bspw. Seen. Hier ist das Fischen grundsätzlich erst einmal nicht erlaubt, auch weil sich die Seen teils in Privatbesitz befinden. Aber Nachfragen an der nächsten Tankstelle oder Camping-Platz hilft. Oft können käuflich Angelscheine erworben werden, die zum Fischen für den Eigenbedarf berechtigen.
Fazit zum Jedermannsrecht in Norwegen
Als Norwegen-Reisende dürfen wir dankbar für ein solches Gesetz wie das Jedermannsrecht sein. Es erlaubt uns, die wunderschönen Landschaften Norwegens auch abseits erleben und genießen zu dürfen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass Rechten stets auch Pflichten folgen. Die Natur mit ihren Tieren, aber auch die dort lebenden Menschen, zu respektieren sollte dabei eine Selbstverständlichkeit für jeden von uns sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Jedermannsrecht auch künftig bestehen bleibt.